Das Zahnweh subjektiv genommen ist ohne Frage unwillkommen, doch hat`s die gute Eigenschaft, dass sich dabei die Lebenskraft, die oft nach außen sich verschwendet auf einen Punkt nach innen wendet. Kaum wird der erste Schmerz verspürt, kaum spürt man das bekannte Bohren, das Rucken, Zucken und Rumoren und aus ist´s mit der Weltgeschichte. Vergessen sind die Kursberichte, die Steuern und das Einmaleins, ja jede Form gewohneten Seins, die sonst real erscheint und wichtig wird plötzlich wesenlos und nichtig. Man weiß nicht was die Butter kostet, ja selbst die alte Liebe rostet, denn einzig in der tiefen Höhle des Backenzahnes wohnt die Seele.
Wilhelm Busch
Oftmalen bringt ein hartes Brocken des Mahles Freude arg ins Stocken. So geht’s nun auch dem Heinrich Kracke. Er sitzt ganz krumm und hält die Backe. Um seine Ruhe ist´s getan. Er biss sich auf den hohlen Zahn. Nun sagt man zwar es hilft der Rauch und Heinrich Kracke tut es auch. Bisweilen treiben ihn die Nöte mit Schnaps des Zahnes Nerv zu töten. Er steckt den Kopf mit samt dem Übel in einen kalten Wasserkübel. Jedoch das Übel will nicht weichen. Auf andere Art will er´s erreichen. Er schlägt vom Schmerz bedrängt die Frau die einzuheizen denkt. Vielleicht so denkt er wird das Schwitzen möglicherweise etwas nützen. Jedoch die Hitze wird zu groß und zappelnd mit den Beinen hört man ihn bitter weinen. Jetzt sucht er unterm Bette umsonst die Ruhestätte. Zuletzt fällt ihm der Doktor ein. Er klopft, der Doktor sagt: Herein, ei guten tag mein lieber Kracke. Lass sehn, was ist den bloß mit seiner Backe. So, so, ja, ja, das dacht ich schon, der Zahn ist in der Wurzel hohl. Der Doktor geht ganz schnell bei seit, der Bauer ist nicht sehr erfreut. Und lächeln kehrt der Doktor wieder, dem Bauern fährt es in die Glieder. Ei wie erschrak er als er da den wohlbekannten Haken sah. Der Doktor, ruhig und besonnen hat bereits sein Werk begonnen und unbewusst nach oben fühlt Kracke sich gehoben. Und rack und rack da haben wir den Zahn, der so abscheulich wehgetan. Mit Freude und voll Dankbarkeit sieht Kracke sich vom Schmerz befreit. Der Doktor würdig wie er war nimmt in Empfang sein Honorar und Heinrich Kracke setzt sich wieder vergnügt zum Abendessen nieder.
Wilhelm Busch
Bescheiden fängt ein alter Zahn, der lange schwieg, zu reden an. Entschlossen, nicht auf ihn zu hören, tun wir, als würd´ uns das nicht stören. Der unverschämte Zahn jedoch erklärt, er hab bestimmt ein Loch. Und schließlich meint er, ziemlich deutlich, dass im nicht wohl sei, wurzelhäutlich. Wir reden dreist ihm ins Gewissen: „Wenn Du nicht schweigst, wirst Du gerissen!" Doch wie? Der Lümmel lacht dazu: „Das fürcht ich lang nicht so wie Du!" Wir suchen mild ihn zu versöhnen: „Ließ ich Dich golden, nicht bekrönen? Schau, haben nicht wir beiden Alten zusammen jetzt so lang gehalten? So manchen guten Biss geteilt?" Es ist umsonst, er bohrt und feilt und sieht nicht ein, wie es verwerflich, uns völlig zu zersägen, nervlich. Wir werden stark! (In Wahrheit: schwach!). Am nächsten Morgen kommt´s zum Krach. Der Zahn wehrt sich mit Löwenmut; doch übersteht er’s schließlich gut. Uns aber bangt schon – Zahn um Zahn – bald kommt vielleicht der nächste dran!
Eugen Roth
Weil Leib und Seel gehör´n zusammen, muss auch manch Körperleiden stammen. In magischem Zusammenwirken aus unsern seelischen Bezirken. Doch nicht nur, dass die eigne Seel´ wir unbewusst oft halten fehl: Schuld trägt auch häufig die Familie, die manche hoffnungsvolle Lilie. Noch eh sie recht erblüht ist knickt: Die Freude wird im Keim erstickt. Aus gegenseitgem´ sich erbosen entwickeln sich die Herzneurosen. Nachts kommt besoffen heim der Vater, die Mutter schwärmt nur fürs Theater, die Schwiegermutter ist recht zänkisch, die Tante eingebildet kränklich, am Marke der Familie saugen noch zwei Brüder, die nichts taugen. Da spricht der Seelenkundler weise: Kein Wunder, wenn in solchem Kreise. Bei dergestalten´ Lebensläufen sich, seelenleiblich, Schäden häufen. So war das freilich immer zwar, doch Wissenschaft macht´s nun erst klar: Und bringt auf neue, stolze Höh´ die alte Lehre vom Milieu.
Eugen Roth
Heil dem, der rundherum gesund, auch ohne seelisch Klagegrund, nach einer wohl durchschlafnen Nacht, springt aus dem Bette, dass es kracht! Die Sonne scheint, es ist halb sechs – der Mensch, das herrlichste Gewächs, sich fühlend als der Schöpfung Krone, treibt mit Rundfunk oder ohne, Frühsport, duscht in kaltem Strahl, verzehrt vergnügt ein reichlich Mahl, liest seine Zeitung sorgenfrei, legt pünktlich auch sein Morgenei und eilt, der eignen Spannkraft froh, in Werkstatt, Schule und Büro, wo, bis ihn wieder Nacht umhüllt, er weit mehr als sein Soll erfüllt. Verdrossen liest man dies Gedicht: So müsst es sein – so ist es nicht!
Eugen Roth
Warum ich am liebsten mit der Natur verkehre ist, weil sie immer Recht hat und der Irrtum immer nur auf Seiten der Menschen liegt.
Johann Wolfgang von Goethe
Freudig war vor vielen Jahren eifrig so der Geist bestrebt, zu erforschen, zu erfahren, wie Natur im Schaffen lebt. Und es ist das ewig eine, das sich vielfach offenbart. Groß das Kleine, klein das Große, alles nach der eigenen Art. Ewig wechselnd fest sich haltend, nah und fern und fern und nah. So gestaltend umgestaltend zum Erstaunen bin ich da.
Johann Wolfgang von Goethe
Eines ist um alles, alles um eines Willen da, weil ja eben das Eine auch das Alles ist. Die Natur, so mannigfaltig sie uns auch erscheint, ist doch immer eins, eine Einheit. Und so muss, wenn sie sich teilweise manifestiert alles diesem zur Grundlage dienen, dieses in dem übrigen Zusammenhang haben.
Johann Wolfgang von Goethe
Es genügt nicht etwas zu wissen, man muss es auch anwenden. Es genügt nicht etwas zu wollen, man muss es auch tun.
Johann Wolfgang von Goethe
Wer das erste Knopfloch verfehlt, kommt mit dem Zuknöpfen nicht zu Rande.
Johann Wolfgang von Goethe
Nur wer sich freiwillig unter das Gesetz stellt, nur der ist wirklich frei.
Johann Wolfgang von Goethe
Was ist das Schwerste von allem, was dir das leichteste dünkt. Mit den Augen zu sehen, was vor den Augen liegt.
Johann Wolfgang von Goethe
Im menschlichen Atem sind zweierlei Gnaden. Die Luft einatmen, sich ihrer entladen. Das eine erfrischt, das andere bedrückt. So wunderbar ist das Leben gemischt.
Johann Wolfgang von Goethe
Wir haben zwar zur Not hier und da Schulen, auch Gymnasien und endlich die hochberühmten Universitäten, nichts aber zur wirklichen Bildung des Menschen und seines Charakters. Daher sind die meisten auch so charakterlos unter uns.
Johann Wolfgang von Goethe
Vergebens werden ungebundene Geister nach der Vollendung reiner Höhe streben. Wer großes will muss sich zusammenraffen. In der Beschränkung zeigt sich erst der wahre Meister. Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben.
Johann Wolfgang von Goethe
Müsset im Naturbetrachten immer eins wie alles achten. Nichts ist drinnen nichts ist draußen, denn was innen, das ist außen. So ergreifet ohne Säumnis heilig öffentlich Geheimnis.
Johann Wolfgang von Goethe
Ich habe all mein Wirken und Listen immer nur symbolisch gesehen und es ist mir im Grunde ziemlich gleichgültig gewesen, ob ich Töpfe machte oder Schüsseln.
Johann Wolfgang von Goethe
Die Phänomene im Außen sind nichts wert, wenn es uns nicht gelingt, sie zu unserem eignen Nutzen anzuwenden.
Johann Wolfgang von Goethe
Ihr wundert euch, dass das Wahre so einfach ist. Ihr werdet noch genügend Schwierigkeiten haben, es zu eurem Nutzen anzuwenden.
Johann Wolfgang von Goethe